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Sonderkündigungsschutz - Kündigungsschutz für besondere Arbeitnehmer

Warum gibt es den besonderen Kündigungsschutz?

Viele betroffenen Personen erhalten den besonderen Kündigungsschutz aufgrund Ihrer aktuellen Lebenssituation oder aufgrund einer besonderen Aufgabe oder Stellung, die sie im Betrieb oder Unternehmen einnehmen. Dies führt dann oft zu einer Erschwerung der Kündigung. Arbeitgeber, die solch eine Person „loswerden“ wollen, müssen entweder sehr gute Kündigungsgründe haben oder eine wesentlich höhere Abfindung anbieten als sonst üblich.


Praxisrelevant sind vor allem die nachfolgenden Gruppen:

 

Schwerbehinderte Arbeitnehmer

Bei gesundheitlichen Problemen und bestimmten Krankheiten liegt ein Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter oder falls eine Schwerbehinderung zwischen 30 – 50% vorliegt, ein Gleichstellungsantrag nah. Dies kann auch bei aufkommendem Ärger am Arbeitsplatz oder einer Umstrukturierung von Vorteil sein.

 

Als schwerbehindert gilt derjenige, der einen Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 hat. Die Schwebehinderung wird vom Versorgungsamt festgestellt. Der besondere Kündigungsschutz ist, anders als bei einer Schwangerschaft, nicht ab Beginn vorhanden, sondern erst nach einer Betriebszugehörigkeit von 6 Monaten. Nach Ablauf dieser ersten sechs Monate ist eine fristlose (außerordentliche) oder eine ordentliche Kündigung nur mit vorheriger Zustimmung des Integrationsamtes möglich.

 

Kündigungsfrist

Die Kündigungsfrist beträgt mindestens vier Wochen. Längere arbeitsvertragliche, tarifliche oder sich aus dem Gesetz ergebende Kündigungsfristen sind einzuhalten.

 

Gleichstellung

Bei einem festgestellten Grad der Behinderung zwischen 30 und 50, kann der Arbeitnehmer bei der Agentur für Arbeit einen Antrag auf Gleichstellung stellen. Dies bedeutet, dass er einem Schwerbehinderten gleichgestellt wird. Voraussetzung für die Gleichstellung ist eine mögliche Kündigung und Unsicherheit des Beschäftigungsverhältnisses. Mit Gleichstellung erhält der Arbeitnehmer den gleichen Kündigungsschutz wie Schwerbehinderter.

 

Kenntnis des Arbeitgebers

Abweichend vom Antrag auf Feststellung einer Schwerbehinderung, erhält der Arbeitgeber von der Agentur für Arbeit Kenntnis über den Antrag auf Gleichstellung. Ab diesem Zeitpunkt hat der Arbeitgeber Kenntnis von dem Antrag und kann keine Kündigung mehr ohne Einschaltung des Integrationsamtes aussprechen. Eine Kündigung drei Wochen Beantragung (ohne Kenntnis des Antragsverfahrens) oder während des Antragsverfahrens nach Kenntnis, ist ohne die notwendige Zustimmung des Integrationsamts unwirksam, wenn der Arbeitnehmer später gleichgestellt wird. Ein Arbeitgeber sollte hier rein vorsorglich die Zustimmung beim Integrationsamts einholen, wenn er sich nicht sicher ist.

 

Mitteilung der Schwerbehinderung nachholen  

Grundsätzlich besteht keine Verpflichtung des Arbeitnehmers seinen Arbeitgeber über die Schwerbehinderung zu informieren. Dann kann sich der Arbeitnehmer jedoch später auch nicht auf einen Sonderkündigungsschutz berufen. Um Sonderkündigungsschutz zu erhalten, muss man diesen spätestens 3 Wochen nach der Kündigung über die Schwerbehinderung informieren. Die ausgesprochene Kündigung (egal ob fristlose oder fristgemäße Kündigung) wird dann unwirksam. Trotz der unwirksamen Kündigung sollte der Arbeitnehmer innerhalb der 3-Wochenfrist des Kündigungsschutzgesetzes kündigen. Wenn die Frist der § 4 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) nicht eingehalten wird, wird die Wirksamkeit der Kündigung unterstellt.

 

Anhörung des Integrationsamts

Hat der Arbeitgeber einen Kündigungsentschluss gefasst und weiß von der bestehenden Schwerbehinderung, so muss er vorab die Zustimmung beim zuständigen Integrationsamt einholen. Dieses Verfahren nimmt einige Zeit in Anspruch, da vor der Erteilung der Zustimmung der betroffene Arbeitnehmer angehört werden muss. Dadurch verzögert sich der Ausspruch einer Kündigung.

Verweigert das Integrationsamt die Zustimmung oder sieht der Arbeitgeber die Beantragung als nicht notwendig an, so ist die Kündigung des Schwerbehinderten allein aufgrund dessen unwirksam.

Selbst wenn das Integrationsamt dem Antrag auf Zustimmung entspricht und der Kündigung zustimmt, kann hiergegen Widerspruch eingelegt und – wenn diesem nicht abgeholfen wird- die Zustimmung beim Verwaltungsgericht überprüfen lassen.

 

Allein die Zustimmung sagt auch nichts über die arbeitsrechtliche Begründetheit der Kündigung aus. Trotz der Zustimmung sollte der Arbeitnehmer immer gegen die Zustimmung Widerspruch einlegen und separat mit einer Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht deren Zulässigkeit und Begründetheit überprüfen.

 

Würde das Arbeitsgericht die Kündigung als wirksam ansehen und das Verwaltungsgericht später -solche Verfahren dauern wesentlich länger als ein Kündigungsschutzprozess – zu der Ansicht gelangen, dass die Zustimmung zur Kündigung rechtswidrig war, so führt dies zu viel Ungemach auf Seiten des Arbeitgebers. Die Kündigungsschutzklage könnte wieder aufgenommen werden, der Arbeitnehmer hätte einen Wiedereinstellungsanspruch und einen Schadensersatzanspruch.

 

Dies führt innerhalb des Verfahrens und auch schon vorher zu einem wesentlichen höheren Risiko beim Arbeitgeber. Der Arbeitgeber ist deshalb – um diesen Risken aus dem Weg zu gehen – bei einer Schwerbehinderung oder Gleichstellung oft sehr daran interessiert einen Aufhebungsvertrag zu vereinbaren und damit verbunden, eine Abfindung zu zahlen.

 

Schwerbehinderte ab 58

Bei Arbeitnehmern mit Schwerbehinderung im Alter von 58 Jahren und darüber ist der Kündigungsschutz eingeschränkt. Bei Massenentlassungen sind sie bei betriebsbedingten Kündigungen nicht geschützt, wenn sie aufgrund eines zwischen Arbeitgeber und Betriebsrats ausgehandelten Sozialplans eine Abfindung oder anderweitige Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes erhalten.

 

Kündigungsschutz bei Schwangerschaft

Schwangere Arbeitnehmer haben ab Kenntnis des Arbeitgebers von der Schwangerschaft und bis zu vier Monate nach der Entbindung Sonderkündigungsschutz. Spricht der Arbeitgeber in Unkenntnis der Schwangerschaft eine Kündigung aus, dann hat die Arbeitnehmerin 2 Wochen ab Zugang des Schreibens Zeit den Arbeitgeber nachträglich von der bestehenden Schwangerschaft in Kenntnis zu setzen.

Trotzdem muss die schwangere Arbeitnehmerin innerhalb von drei Wochen gegen die Kündigung eine Kündigungsschutzklage einreichen. Die Frist des § 4 KSchG gilt trotz der Schwangerschaft.

 

Zustimmung der Behörde zur Kündigung notwendig

Das Arbeitsverhältnis einer schwangeren Arbeitnehmerin kann nur gekündigt werden, dann die zuständige Aufsichtsbehörde dem vorab zustimmt. Dies ist nicht das Integrationsamt, sondern in Hessen das Regierungspräsidium. Geht die Kündigung vor Erteilung der Zustimmung zu, dann ist sie unwirksam. In der Praxis wird die Zustimmung nur selten erteilt.

 

Sonderkündigungsschutz in der Elternzeit

An den Mutterschutz angelehnt ist der Kündigungsschutz während der Elternzeit. Der Schutz entsteht mit Beantragung der Elternzeit, aber jedoch frühestens 8 Wochen vor dem Beginn der Elternzeit. Will der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis beenden, dann brauch er hier auch die Zustimmung des Regierungspräsidiums.

 

Betriebsrat mit erweitertem Schutz

Mitgliedern des Betriebsrats, der Jugendvertretung oder einen anderen Arbeitnehmervertretung kann nicht fristgerecht ordentlich gekündigt werden. Einzig bei der Schließung oder Stilllegung des Betriebs ist dies möglich. Der Sonderkündigungsschutz umfasst nicht nur die Betriebsräte, sondern auch der Stellvertreter (Nachrücker), Wahlvorstände und Wahlbewerber, wobei letztere nur einen zeitweisen Schutz genießen.

Nehmen die Nachrücker an einer Betriebsratssitzung teil, weil ein ordentliches Mitglied verhindert ist, so haben Sie ab diesem Zeitpunkt ein Jahr Sonderkündigungsschutz.

 

Nachwirkung des Schutzes

Damit Betriebsräte ihre Aufgaben angstfrei ausüben und die Konfrontation mit dem Arbeitgeber nicht fürchten müssen, endet der besondere Kündigungsschutz nicht am Ende der Amtszeit, sondern die Tätigkeit als Betriebsrat entfaltet eine Nachwirkung von einem Jahr. Der Arbeitnehmer und ehemalige Betriebsrat hat also noch bis zu einem Jahr nach dem Ende seiner Amtszeit Sonderkündigungsschutz. Bei Wahlbewerbern und den Mitgliedern des Wahlvorstandes endet der Kündigungsschutz nach sechs Monaten.

 

Außerordentliche Kündigung möglich

Bei Betriebsräten gibt es keine Behörde, die einem Kündigungswunsch des Arbeitgebers zustimmen muss. Will der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit einem Betriebsratsmitglied beenden, dann kann er das Arbeitsverhältnis nur fristlos kündigen. Der Arbeitgeber benötigt hierfür die Zustimmung des Betriebsratsgremiums. Die Kündigung ist nur wirksam, wenn der Betriebsrat vorher zustimmt. Der Betriebsrat muss über den Antrag des Arbeitgebers innerhalb von drei Tagen entscheiden. Stimmt der das Gremium dem Antrag des Arbeitgebers auf Zustimmung zur Kündigung nicht zu, so liegt keine Zustimmung vor. Bei vielen anderen Sachverhalten gilt eine Enthaltung und Verfristung als Zustimmung. Hier nicht! Der Arbeitgeber muss dann beim Arbeitsgericht die fehlende Zustimmung ersetzen lassen.

 

Auch Auszubildende werden geschützt

Ein Ausbildungsvertrag kann innerhalb der Probezeit problemlos von beiden Seiten gekündigt werden. Nach Ablauf der Probezeit kann ein Ausbildungsverhältnis nicht mehr ordentlich gekündigt werden. Das Ausbildungsverhältnis kann dann nur noch bei Vorliegen eines wichtigen Grundes beendet werden. Die Grundsätze des Kündigungsschutzgesetzes finden wie bei einer fristlosen Kündigung Anwendung. Es müssen schwerwiegende Gründe vorliegen, oft verbunden mit einer oder mehreren zeitlich davor liegenden Abmahnungen. Wie bei einer fristlosen außerordentlichen Kündigung muss die Kündigung innerhalb von zwei Wochen nach dem Fehlverhalten erklärt werden. Bei der fristlosen Kündigung eines Ausbildungsverhältnis müssen die Kündigungsgründe zwingend innerhalb des Kündigungsschreibens dargestellt werden. Erfolgt dies nicht, ist die Kündigung unwirksam.

  

Unkündbare Arbeitnehmer

In vielen Tarifverträgen finden sich Regelungen, wonach Arbeitnehmer ab einem bestimmten Alter und einer gewissen Betriebszugehörigkeit als unkündbar gelten. Dieser Begriff ist jedoch nicht richtig. Tatsächlich können auch unkündbare Arbeitnehmer gekündigt werden. Der tarifvertragliche Kündigungsschutz reduziert die Kündigungsmöglichkeit nicht nur auf fristlose (außerordentliche) Kündigungen.

Der Arbeitgeber kann auch weiterhin aus betriebsbedingten Gründen eine Kündigung aussprechen. Eine fristlose betriebsbedingte Kündigung ist möglich. So kann der Arbeitgeber aufgrund der Schließung einer Abteilung einen „unkündbaren“ Arbeitnehmer kündigen, wenn es im übrigen Teil des Betriebs keine Beschäftigungsmöglichkeit gibt.

Der Arbeitgeber ist jedoch gezwungen diese fristlose Kündigung mit einer sozialen Auslauffrist zu versehen.

 

 
 
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