Covid-19 bzw. das Coronavirus hat zurzeit extremen Einfluss auf unser tagtägliches Leben. Nicht nur, dass zwischenzeitlich Ausgangssperren und Quarantäne verhängt wird, sondern insbesondere die Arbeitswelt wird durch die Einschränkungen stark betroffen. Arbeitgeber, Arbeitnehmer oder Solo-Selbstständige sind verunsichert, was die Zukunft bringen wird. Eine kurze Verschnaufpause vor eventuell notwendigen „Massenentlassungen“ hat die Regierung durch die Ausweitung und Erleichterung der Kurzarbeit geschaffen. Trotzdem sehen sich bereits jetzt Arbeitgeber zu betriebsbedingten Kündigungen veranlasst. Diese werden – obwohl der Kündigungsgrund in einer Kündigung nicht notwendiger Weise benannt werden muss – mit dem Coronavirus begründet.
Hierbei ist anzuführen, dass das Coronavirus an sich keinen eigenen Kündigungsgrund darstellt, sondern hier das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) zu beachten ist, soweit es denn zu Anwendung kommt. Danach ist eine Kündigung entsprechend § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, wenn Sie durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, bedingt ist. Der Umkehrschluss ergibt sich aus § 1 Abs. 2 KSchG, in dem die Kündigungspunkte dargestellt werden, wann sie „sozial ungerechtfertigt“ sind.
Trotz des Coronavirus ist die Kündigung auf ihre soziale Rechtfertigung zu prüfen. Danach müssen für eine Kündigung (1) personenbedingte, (2) verhaltensbedingte oder (3) betriebsbedingte Kündigungsgründe vorliegen.
Die in der Person eines Arbeitnehmers liegenden Gründe für eine Kündigung beruhen auf persönlichen Eigenschaften des Arbeitnehmers, die er nicht zu beeinflussen vermag. In Betracht kommen z.B. mangelnde Qualifikationen für seine Tätigkeit, die Einschränkung seiner Arbeitsfähigkeit oder Krankheiten, was sodann zu dem hier vorliegenden Thema der Kündigung wegen des Coronavirus / Covid-19 führt.Ob ein Arbeitgeber den Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung auf die Erkrankung eines Mitarbeiters an dem Coronavirus stützen kann, ist unwahrscheinlich.
Die Prüfung, ob eine fristgerechte krankheitsbedingte Kündigung eines Arbeitnehmers nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist, erfolgt in drei Stufen:
Die krankheitsbedingte Kündigung eines Arbeitnehmers aufgrund einer Coronaerkrankung wird schon an der ersten Stufe scheitern. Es müssen bei der krankheitsbedingten Kündigung zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung objektive Umstände vorliegen, die eine Prognose für eine Arbeitsunfähigkeit auf nicht absehbare Zeit, das dauernde Unvermögen, die vertragliche Arbeitspflicht zu erfüllen oder die ernste Besorgnis weiterer häufiger Kurzerkrankungen rechtfertigen (BAG v. 17.06.1999 - 2 AZR 639/98). Als absehbare Zeit ist bei Langzeiterkrankungen von einem Zeitraum von 24 Monaten und mehr auszugehen, in denen mit einer anderen Prognose nicht zu rechnen ist. Vor dem Hintergrund, dass eine Erkrankung an dem Coronavirus innerhalb weniger Wochen abgeklungen ist, fehlt es einer krankheitsbedingten Kündigung bereits an der negativen zukunftsorientierten Prognose.
Sollte der Arbeitgeber wider Erwarten es trotzdem auf eine gerichtliche Auseinandersetzung innerhalb eines Kündigungsschutzverfahrens ankommen lassen, dann ist der Arbeitgeber beweisbelastet. Der Vortrag zu einer bestehenden – dann sehr wahrscheinlich bereits ausgeheilten – Erkrankung am Coronavirus, wird nicht ausreichen, da dadurch keine langfristige und ebenso keine Vielzahl an kurzfristigen Erkrankungen entstehen.
Auch die weiteren zu prüfenden Stufen sind nicht einschlägig.
Die krankheitsbedingten Fehlzeiten müssten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Interessen des Betriebs geführt haben und diese auch zukünftig erwarten lassen. Hierzu zählen auch wirtschaftliche Belastungen des Arbeitgebers, die durch außergewöhnlich hohe Lohnfortzahlungskosten entstehen können, die über einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen aufzuwenden sind.
Nicht nur, dass nach derzeitigem Kenntnisstand eine Erkrankung mit dem Coronavirus / Covid-19 nach „kurzer“ Zeit überwunden sein sollte, so hat der Gesetzgeber bewusst oder unbewusst im „Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen“ – kurz: IfSG bereits Vorsorge getroffen. Wird ein Arbeitnehmer aufgrund einer Erkrankung mit dem Coronavirus unter Quarantäne nach § 30 IfSG gestellt oder ein Beschäftigungsverbot nach § 31 IfSG erteilt, so erwächst dem Arbeitnehmer hierdurch ein Entschädigungsanspruch nach § 56 IfSG. Diesen Anspruch – den der Arbeitnehmer gegen die Behörde hat – muss zunächst der Arbeitgeber erfüllen, der sodann Erstattung der gezahlten Entschädigung von der zuständigen Behörde verlangen kann. Es kommt also rein faktisch zu keinen außergewöhnlich hohen Lohnfortzahlungskosten, die mit einer Erkrankung an dem Coronavirus in Zusammenhang steht. Hierbei ist immer auf das einzelne Arbeitsverhältnis abzustellen.
In der dritten Stufe wäre die unzumutbare Belastung zu prüfen und eine Interessensabwägung durchzuführen. Die konkreten Umstände sind einzubeziehen. Da das Coronavirus zurzeit allgegenwärtig ist und es hunderttausende Erkrankte gibt, dürfte die Interessensabwägung nicht zu Ungunsten des Arbeitnehmers ausfallen. Vor Ausspruch der Kündigung wären alle milderen Mittel in Anspruch zu nehmen, hier vor allem Kurzarbeit. Die Kündigung darf nur das letzte Mittel (ultima ratio) sein.
Weiterhin wäre hier von einem Arbeitgeber § 167 Abs. 2 SGB IX beachtlich. Ist ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, hat der Arbeitgeber unter Beteiligung des betroffenen Arbeitnehmers und des Betriebsrats (sofern einer vorhanden ist) zu klären, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Durch das BEM (Betriebliches Eingliederungsmanagement).
Um darzutun, dass die krankheitsbedingte Kündigung dem Verhältnismäßigkeitsprinzip genügt und dem Arbeitgeber keine milderen Mittel zur Überwindung der krankheitsbedingten Störung des Arbeitsverhältnisses als die Beendigungskündigung offenstanden, muss der Arbeitgeber, der kein BEM durchgeführt hat, dessen objektive Nutzlosigkeit darlegen (LAG Rheinland-Pfalz v. 10.01.2017 – 8 Sa 359/16).
Bei einem solchen BEM verlangt der Arbeitgeber oft die Offenlegung sämtlicher Gesundheitsdaten. Die Verarbeitung der sehr sensiblen Gesundheitsdaten darf jedoch nur auf Grundlage einer wirksam erteilten Einwilligung des Arbeitnehmers erfolgen. Die Wirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung kann auch von der (datenschutzrechtlich) wirksamen Durchführung eines BEM abhängig sein.
Die verhaltensbedingte Kündigung ist aus Gründen, die im Verhalten des Arbeitnehmers liegen sozial gerechtfertigt, wenn
· der Arbeitnehmer seine vertraglichen Pflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt,
· das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt ist,
· eine zumutbare Möglichkeit deiner anderen Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertrafgsteile angemessen erscheint.
Dabei spielt vor allem die Qualität der Vertragsverletzung eine erhebliche Rolle. Die Pflichtverletzung muss dem Arbeitnehmer vorwerfbar sein. Eine Pflichtverletzung ist vorwerfbar, wenn der Arbeitnehmer, die ihr zugrunde liegende Handlungsweise steuern konnte.
Im Zusammenhang mit der Pandemie, ist hier die Frage für die Arbeitnehmer relevant, wann hier eine Zurückbehaltungsrecht an der Arbeitsleistung nach § 275 Abs. 3 BGB besteht. Dieses Zurückbehaltungsrecht bzw. das Recht die Erbringung der Arbeitsleistung zu verweigern steht dem Arbeitnehmer zu, denn die Erbringung der Arbeitsleistung für ihn unzumutbar wäre.
Wichtig ist hierbei zu die Unterscheidung, ob es objektiv tatsächliche Anhaltspunkte für ein erhöhtes Infektionsrisiko gibt oder nicht.
Bestehen bei einem Arbeitgeber nachweisbare Anhaltspunkte für ein erhöhtes Risiko einer Ansteckung mit dem Coronavirus (z.B. mehrere positiv getestete Kollegen vor Ort, reger Kundenkontakt ohne Sicherheitsabstand, große Menschenmengen), so hat der Arbeitgeber die Pflicht Schutzmaßnahmen zu treffen. Der Arbeitnehmer darf nicht einfach der Arbeitsstelle fernbleiben, sondern muss den Arbeitgeber auf das erhöhte Infektionsrisiko hinweisen und Abhilfe verlangen. Der Arbeitgeber hat die Pflicht nach §§ 618, 241 Abs. 2 BGB. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, so kann der Arbeitnehmer von seinem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch machen, und zwar bei vollem Lohn. Der Arbeitgeber kann dies durch verschiedene Regelungen verhindern. So kann er Home-Office anordnen, Atemschutzmasken verteilen, größere Sicherheitsabstände anordnen und Besprechungen mit Kollegen und Kunden nur noch per Telefon / Video abgehalten werden dürfen.
Liegen keine konkreten Anhaltspunkte für ein erhöhtes Infektionsrisiko vor, so steht dem Arbeitnehmer kein Zurückbehaltungsrecht zu. Hier sollte der Betroffene sich vorher eingehend beraten lassen. Das Gebrauchmachen eines unzulässigen Zurückbehaltungsrechts kann zu einer Abmahnung und hinzu einer (fristlosen) Kündigung führen.
Aufgrund der weltweiten Pandemie und weiteren Verbreitung des Coronavirus, ist die betriebsbedingte Kündigung zurzeit und in den nächsten Wochen und Monaten der Hauptkündigungsgrund. Infolge des Ausbleibens von Aufträgen, Ausbleibens von Kunden und Rückgang von Besucherzahlen, ist ein eklatanter Umsatzeinbruch vorhersehbar. Die nun erfolgten Schließungen von gesamten Wirtschaftszweigen, wird zu betriebsbedingten Kündigungen führen.
Der Arbeitgeber trägt das Betriebsrisiko. Der Arbeitgeber steht nunmehr in der schwierigen wirtschaftlichen Lage, dass er keinen Umsatz generieren kann, aber trotzdem die laufenden (Lohn-)Kosten weitertragen muss, obwohl er die Arbeitnehmer nicht mehr einsetzen kann. Zurzeit wird dies vielerorts durch Kurzarbeit aufgefangen. Allein im März 2020 haben fast 500.000 Arbeitgeber Kurzarbeit beantragt. Trotzdem werden viele Arbeitgeber in naher Zukunft Kosten einsparen müssen. Dies trifft oft Arbeitnehmer. In Zeiten ausbleibender Umsätze, wird dies wahrscheinlich durch Betriebs- und Betriebsteilschließungen und damit einhergehender betriebsbedingter Kündigungen erfolgen.
Betriebsbedingte Kündigungen sind nur dann sozial gerechtfertigt, wenn sie durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt sind, die einer Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmer in diesem Betrieb entgegenstehen (§ 1 Abs. 2 KSchG). Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich ist, der betrieblichen Lage durch andere Maßnahmen auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet als durch Kündigung zu entsprechen (BAG v. 13.03.1987 – 7 AZR 724/85).
Bei der betriebsbedingten Kündigung wird zwischen innerbetrieblichen Umständen (z.B. Rationalisierungsmaßnahmen, Umstellung oder Einschränkung der Produktion) oder außerbetrieblichen Einwirkungen (z.B. Auftragsmangel oder Umsatzrückgang)
Aufgrund er Pandemie und der weiteren Verbreitung des Coronavirus kommt es immer weiter zu Störungen der Lieferketten. Selbst die Herstellung von Desinfektionsmittel ist schon schwierig, da bestimmte notwendige Alkoholarten nur noch schwer über Landesgrenzen erfolgen können. Die damit einhergehende Einschränkung der Produktion oder gar vollständige Auftragsrückgang, kann grundsätzlich ein betriebliches Erfordernis nach § § 1 Abs. 2 KSchG darstellen. Dies müsste im Weiteren zum tatsächlichen Wegfall von Arbeitsplätzen führen.
Zurzeit ist dies aufgrund der tausendfach beantragten Kurzarbeit noch nicht der Fall, aber wenn das Instrument der Kurzarbeit nicht mehr greift, werden wahrscheinlich viele Arbeitgeber nicht mehr umhinkommen, aufgrund der Umstände betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen. Ob und inwieweit diese dann berechtigt sind, müssen letztlich die Arbeitsgerichte klären.
Hier werden die Arbeitsgerichte dann genau prüfen, ob die angegriffene Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt war und eine ordnungsgemäße Sozialauswahl durchgeführt wurde. Wie bereits bei der personen- und verhaltensbedingten Kündigung, soll die betriebsbedingte Kündigung nur das letzte mögliche Mittel (ultima ratio) darstellen.
Der Arbeitgeber wir dann die Gründe und auch die Sozialauswahl genau darlegen müssen. Hier sind dann die Dauer der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und eine eventuell bestehende Schwerbehinderung zu beachten und gegeneinander abzuwägen.
Arbeitgeber und Betriebsrat können, soweit dies für tarifgebundene Arbeitgeber nicht in einem Tarifvertrag verbindlich geregelt ist, in einer Betriebsvereinbarung in einem Punktesystem festlegen, wie die sozialen Gesichtspunkte im Verhältnis zueinander zu bewerten sind. Dies bringt den betroffenen Arbeitnehmern allerdings nichts, wenn ganze Betriebe oder Unternehmen schließen. Eine Sozialauswahl wäre dann regelmäßig obsolet.